Dr. med. Rüdiger Dahlke – KRANKHEIT ALS SYMBOL

Auch wenn sich viel getan und der Ansatz der Krankheitsbilder-Deutung sich weit verbreitet hat – „Krankheit als Symbol“ kommt in die 20. Auflage und die Bücher liegen in 26 Sprachen vor und ich mache seit Jahren Fortbildungen für Kollegen über die deutsche Ärztekammer –  gibt es noch immer jene Mehrheit, die Krankheit weder als Symbol, noch als Sprache oder Weg begreift, noch sie überhaupt für etwas Sinnvolles hält. Sie wird nicht einmal als etwas Grundsätzliches erkannt, sondern als eine Fülle widerwärtiger, zufälliger Einbrüche ins Leben gesehen. Für die meisten großen Religionen und ihre spirituellen Traditionen ist Krankheit dagegen von jeher etwas Grundsätzliches.

Laut biblischer Schöpfungsgeschichte sind wir Menschen Unheil, nachdem uns im Paradies die eine Seite genommen wurde. Seitdem sind wir auf der Suche nach unserer „besseren Hälfte“, wie der Volksmund weiß. Die christliche Religion verspricht den Unheil-gewordenen die Rückkehr in die Einheit des Paradieses. Der Heiland vermittelt den Weg zurück zum Heil(igen), symbolisiert im Paradies, dem Himmelreich Gottes, von dem Christus sagt, es liege in uns. Vollkommenheit und folglich auch vollkommene Gesundheit sind erst hier, also jenseits der polaren Welt der Gegensätze möglich.

Dem entspricht erstaunlicherweise die Auffassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Gesundheit als einen Zustand definiert, frei von körperlichem, seelischem und sozialem Leid. Demnach gibt es gesunde Menschen höchstens in Anatomie­bü­chern, aber nicht in unserer modernen Welt. Was der spirituellen Philosophie selbstverständliche Basis ihres Weltbildes ist, wird letztlich – wenn auch zähneknirschend – von Schulmedizin und Naturheilkunde bestätigt. Der Mensch ist krank. Die Gesundheitsstatistiken sind in Wahrheit Krankheitsstatistiken und besagen, ein durchschnittlicher Bürger erleide in 25 Jahren 2 lebensbedrohliche, 20 schwere und noch 200 mittelschwere bis leichte „Krankheiten“. Mit ihren immer raffinierter werdenden Unter­su­chungs­methoden findet die Schulmedizin heute kaum mehr ganz Gesunde. Befragt man 1000 sogenannte Gesunde findet sich darunter prak­tisch keiner, der nicht doch irgendwelche Beschwerden hätte. Die Naturheilkunde mit ihren noch sensibleren Unter­su­chungs­me­tho­den hat heute bereits Probleme, jemanden mit normalen Leberwerten zu finden. Das Fazit ist überraschend einfach: Alle sind sich einig: Der Mensch ist krank. Ob man die Hoffnung der Medizin, alle „Krankheiten“ irgendwann auszurotten teilt oder nicht: im Augenblick ist absolute Gesundheit nicht von dieser Welt. Zu dieser Tatsache kann man in kämpferischer Opposition stehen wie Schulmedizin und weite Teile der Naturheilkunde oder sie akzeptieren wie Religion und spirituelle Philosophie, in jedem Fall wird Krankheit den Menschen zur Aufgabe.

Aus dem ersten kämpferischen Ansatz[1] wird sich der Arzt mit dem Patienten gegen das Symptom verbünden und versuchen, dieses so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen. Aus dem spirituellen Ansatz folgt eher das Gegenteil: Der Arzt verbündet sich mit dem Symptom und schaut, was dem Patienten fehlt, so dass dieses Symptom notwendig wurde. Dem Krankheitsbild wird Bedeutung zugemessen und es wird gedeutet.

Das ist eigentlich kein ungewöhnlicher Schritt und im normalen Leben weit verbreitet. Wir sind es gewohnt, alles mögliche zu deuten und sind sogar verstimmt, falls es einmal unterbleibt. Nehmen wir an, jemand antwortet auf die Frage nach dem neuesten Theaterstück: die Bühne hatte die Maße 4 mal 6 Meter und war 2 Meter hoch, es waren 8 Schauspieler beteiligt, davon 2 Männer und 6 Frauen, ihre Kostüme bestanden aus x m Seidenstoff und y m Leinen, die Bühne wurde mit so und so viel Lux beleuchtet usw. Wir wären ziemlich ungehalten, denn eigentlich hatten wir eine inhaltliche Deutung erwartet und nicht eine Be­schrei­bung des formalen äußeren Ablaufs. Was uns beim Theater so selbstverständlich erscheint, ist es in der Medizin plötzlich nicht mehr. Wenn sich ein Patient drei Tage nach der Erstun­ter­su­chung wieder beim Internisten einfindet, bekommt er zu hören, seine Blutuntersuchungen hätten diese, die Urinprobe jene Werte ergeben, sein Blutdruck habe den Wert x und die Temperatur den Wert y. Im Röntgenbild sei eine Verschattung aufgefallen und das EKG habe folgende Befunde ergeben. Nun ist der Patient erstaun­li­cherweise nicht ungehalten, sondern zollt einem wissenschaftlich arbeitenden Mediziner Respekt, obwohl auch jetzt nur von der Form und nie vom Inhalt die Rede war. Erst wenn der Internist all seine Befunde deutet und die erlösenden Worte spricht: „Das ganze nennt man Lungenentzündung“, kommt mit dieser Deutung auch wieder Sinn ins Geschehen. Die Frage ist allerdings, warum man ausge­rech­net an diesem Punkt, wo es für den Patienten erstmals interessant wird, aufhört.

Natürlich ließe sich nach der Bedeutung der Lunge und jener der Entzündung weiterforschen. Das Thema der Lunge ist ganz offenbar Kontakt und Kommunikation, ist sie doch für den Gas­aus­tausch und unsere Sprache verantwortlich, die auf der Modulation des Ausatemstromes beruht. Mit der Entzündung ist das Thema Kon­flikt angesprochen. Erreger kämpfen gegen Antikörper und ihre Mittel sind eindeutig kriegerisch. Es wird belagert und gestorben, angegriffen, blockiert und getötet. Die Makrophagen, wörtlich Großfresser, geben auf Seiten des Körpers genauso wenig Pardon wie die Antikörper, die sich in Kamikazemanier auf die Erreger stür­zen, um mit ihnen gemeinsam zugrunde zu gehen. Insofern haben wir es bei der Lugenentzündung mit einem Konflikt im Kommunikationsbereich zu tun. Die häufigen Lungenentzündungen auf Intensivstationen sind dafür Beleg. An den Erregern kann es wohl nicht primär liegen, denn nirgendwo gibt es weniger als gerade hier. Wenn aber die ganze verbliebene Kommunikation mit der Welt über ein paar Plastik­schläuche läuft, bekommen viele Menschen ein Kontakt­pro­blem, und das kann sich mangels anderer Ausdrucksformen u.a. in ei­ner Lungenentzündung verkörpern.

Die Medizin von „Krankheit als Symbol“ geht davon aus, alles körperliche Geschehen sei Ausdruck eines dahinterliegenden seelischen Inhalts. Wenn wir nur das körperliche Geschehen zudecken, verstärken wir folglich die seelische Problematik. Mit dem Beseitigen von Symptomen landen diese, wie das Wort so ehrlich sagt, auf der Seite, bzw. im Unbewussten oder im Schatten. Diese Art von Symptomverschiebung würde uns in anderen Bereichen, etwa der Technik, nicht im Traum einfallen. Wenn an einer Maschine das Alarmlicht aufleuchtet, würden wir nicht daran denken, das Birnchen lose zu drehen, um Ruhe zu bekommen. Bei Kopf- und anderen Schmerzen finden wir dagegen nichts dabei, durch Schmerz­mit­tel einfach das Warnsignal zu blockieren. Böse formuliert wer­den nach diesem System Symptome von Organ zu Organ und Patienten von Spezialist zu Spezialist verschoben.

Aus der Physik wissen wir längst, dass grundsätzlich nichts aus der Welt geschafft, sondern alles nur ineinander umgewandelt werden kann. Insofern hat natürlich auch der Ansatz von „Krankheit als Symbol“ nur Symptom­verschiebung zu bieten. Allerdings bietet eine Verschiebung in der Senkrechten, also zwischen körperlicher und geistig-seelischer Ebene durchaus Heilungschancen im Gegensatz zu jener Symptom­verschiebung, die sich auf die körperliche  Ebene beschränkt.

Bei der Entstehung von Krankheitsbildern sinken inhaltliche Themen, deren bewusste Bearbeitung die Betroffenen verweigern, in den Körper und somatisieren sich hier. Will man das Problem lösen, hat es wenig Sinn, seine Verkörperung mit chemischer (z.B. Korti­son) oder gedanklicher (z.B. Affirmationen, Verhaltenstherapie) Hilfe zu unterdrücken. Es wäre im Gegenteil notwendig, sich den Inhalt hinter der körperlichen Symptomatik bewusst zu ma­chen. Ist das Thema ins Bewusstsein zurückgeholt, besteht zumindest die Chance, es hier zu lösen. Damit aber wäre der Körper von seiner Darstellungsarbeit entlastet. Tatsächlich stellt der Körper lediglich eine Ausweichbühne für das Bewusstsein dar. Oder anders ausgedrückt: Stücke, deren bewusste Aufführung abgelehnt wurde, verkörpern sich auf der Kör­per­bühne.

Das macht deutlich, wie sehr Krankheit ein Weg ist, um zu lernen. Wesentlich eleganter und zielführender, allerdings auch nicht angenehmer ist der Weg direkt über Bewusstwerdungsprozesse zu lernen, oh­ne vorher auf die Körperbühne auszuweichen. Hier eröffnet sich die Chance echter Vorbeugung. Heute wird manchmal etwa von Krebsprophylaxe gesprochen, wenn eigentlich nur Früherkennung gemeint ist. Früh­er­ken­nung ist natürlich besser als Späterkennung, hat aber mit Vorbeugung gar nichts zu tun. Ein Krankheitsbild durch Bewusst­seins­arbeit überflüssig zu machen, weil man das betreffende Thema schon freiwillig auf geistig-seelischer Ebene bearbeitet, ist da­ge­gen echte Prophylaxe.

Wer Krankheit als Symbol und Sprache der Seele versteht, erlebt am eigenen Leib, wie Form und Inhalt immer zusammengehören oder wie Goethe formuliert: Alles Vergängliche ist ein Gleichnis. Krankheit ist der formale Aspekt eines geistig-seelischen Inhalts oder an­ders ausgedrückt: Symptome sind Verkörperungen seelischer Themen.

Symptomsprache ist eigentlich nur ein Sonderfall der Körpersprache, der mit Sicherheit am weitesten verbreiteten Sprache dieser Erde. Obwohl sie die universellste Sprache ist, wird sie allerdings nur noch von wenigen Menschen unserer Kultur bewusst verstanden. Dabei wäre es gar nicht so schwer, sie wieder zu erlernen. Denn unser Körper spricht nicht nur, unsere Sprache ist auch körperlich. Ob wir etwas begreifen oder verstehen, bestimmte Dinge uns an die Nieren gehen oder andere zu Kopf steigen, ob wir uns etwas zu Herzen nehmen, oder es uns auf den Magen schlägt, ob Läuse über unsere Leber laufen oder der Atem vor Schreck stockt, immer ist die Sprache psychosomatisch und zeigt uns eine Verbindung zwischen Körper und Seele, die diese Gesellschaft erst langsam wieder entdeckt.

Neben der Körpersprache, die sich in der einfachen Beschreibung der Symptomatik ausdrückt und durch umgangssprachliche Wendungen, Sprichworte und Sprachbilder wirksam ergänzt wird, stehen auch die von der Medizin erhobenen Befunde für die Deutung zur Verfügung. Denn tatsächlich ist ja die formale Beschreibung des Krank­heits­geschehens keineswegs überflüssig oder gar falsch. Ohne Bühne könnte man kein Theaterstück verfolgen, ohne Beleuchtung bliebe alles im Dunkeln und ohne Kostüme wäre es viel weniger aussage­kräf­tig und eher peinlich. Insofern richtet sich dieser deutende Ansatz nicht gegen die etablierte Medizin, sondern ergänzt sie. So erübrigt es sich, Front gegen die Schulmedizin zu machen. Sie beschäftigt sich nun einmal fast ausschließlich mit der körperlichen Ebene. Reparaturen in diesem Bereich beherrscht sie unvergleichlich gut. Wer ihr den Vorwurf macht, sich nicht um den ganzen Menschen zu kümmern, verkennt ihre Position, er gleicht dem Besucher eines städtischen Schwimmbades, der sich über mangelnden Meeresblick beklagt. Dieser war ihm gar nicht versprochen worden, und es steht ihm jederzeit frei, ans Meer zu fahren. Wer wirkliche Heilung wünscht, muss sich um einen ganz­heit­lichen Ansatz bemühen, der, ohne die Schulmedizin zu entwerten, doch weit über diese hinaus geht.

Die am eigenen Leibe erlebten Symptome und die erhobenen Befunde sollten gleichermaßen gedeutet werden und Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen zum umfassenden Muster des Krankheitsbildes zu­sammengesetzt werden. Die betroffene Region, bzw. das Organ gibt dabei jeweils die Ebene an, auf der das Problem abläuft, im Fall der Lungenentzündung also den Kontakt- und Kommunikationsbe­reich. Das spezielle Geschehen beleuchtet die Art des Problems, im Fall der Lungenentzündung das Thema Konflikt.

Hilfreich zur Deutung haben sich die Fragen erwiesen: Warum geschieht gerade mir, gerade das, gerade jetzt? Woran hindert mich die Symptomatik? Wozu zwingt sie mich? Welchen Sinn erfüllt sie gerade jetzt in meinem Leben?

Natürlich ist jedes Krankheitsbild vollkommen individuell und nur in der persönlichen Situation ganz stimmig zu deuten. Wenn so umfassende Krankheitsbilder wie Krebs gedeutet werden, ist das besonders zu bedenken. Wirklich erschöpfend werden Deutungen erst, wenn sowohl die persönlichen Umstände mit in Betracht gezogen werden wie natürlich auch die betroffenen Organebenen.

Die Philosophie hinter der Krankheitsbilder-Deutung findet sich in folgender Trilogie des Wissens dargestellt. Die Schicksalsgesetze enthüllen die Spielregeln des Lebens, die Gesetzmäßigkeiten nach denen nicht nur, aber auch Krankheitsbilder sich entwickeln. Das Schattenprinzip verrät, wie es zur Verdrängung und Schattenbildung kommt, und natürlich gehört Krankheit zum Schattenreich. Die Lebensprinzipien offenbaren die Ebene hinter den Erscheinungsformen der Oberfläche und machen Heilung und Vorbeugung erst möglich. Sie eröffnen darüber hinaus einen Weg, Vorsätze zum Funktionieren zu bringen.

 

[1] Diese kämpferische Antihaltung der Schulmedizinn ergibt sich schon aus den Bezeichnungen ihres Waffenarsenals, mit dem sie die Krankheitsbilder besiegen will: Antihypertonika und Antikonvulsiva, Antikoagulantien und Antbiotika, Antipyretica und Antihistaminika. Was nicht Anti ist, erweist sich oft noch als Blocker (Säure- und Betablocker) oder wenigstens Hemmer (ACE-Hemmer).

Links zur Literatur von Ruediger Dahlke zum Thema:

Buch Krankheit als Symbol von Rüdiger Dahlke


Buch Rüdiger Dahlke, Krankheit als Sprache der Seele


Das Schattenprinzip ein Buch von Rüdiger Dahlke


Ein Buch von Rüdiger Dahlke, Die Schicksalsgesetze


Buch Rüdiger Dahlke, Die Lebensprinzipien


Info:

www.dahlke.at und https://www.facebook.com/ruedigerdahlke/

 

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