DER PREIS – Veit Lindau

„Gib dich nicht mit Kleinheit zufrieden“

– ein Auszug ausRise up“

Alles in dieser Welt ist klein, denn es ist eine Welt, gemacht im seltsamen Glauben, dass Kleinheit dich zufrieden stellen kann. 

Es steht dir frei, alle möglichen Formen von Kleinheit zu erproben, doch letztendlich wirst du akzeptieren, dass du nur mit der Größe zufrieden sein wirst, die dein Zuhause ist. 

Es gibt eine tiefe Verantwortung, die du dir selbst schuldest und die dir niemand abnehmen kann: „Dich zu deiner wahren Größe zu bekennen.“ 

Deinem Ruf zu folgen, bedeutet auch, wieder und wieder die Komfortzone deines Lebens zu verlassen. 

Diese Komfortzone besteht aus dem, was du kennst: deinen gewohnten Abläufen, deinen normalen Gesprächen, deinem vertrauten Gefühlsspektrum, deinem angehäuften Wissen über dich und die Welt. Hier, in dieser kleinen, sorgfältig gepflegten Realitätsblase fühlst du dich sicher. 

Vielleicht wünschst du dir, dich mit dem einmal Erreichten, dem von dir endlich Verstandenen zufrieden geben zu können. 

Denkste! 

Das Leben akzeptiert keine „Rente des Bewusstseins“. Es kennt keinen Stillstand. 

Leben wächst oder schrumpft. Das Konzept, sich auf dem Erreichten auszuruhen, ist ihm fremd. Im Englischen gibt es den Spruch: use it or loose it. (Nutze es oder verliere es.) Alles, was in der Natur über einen längeren Zeitraum hinweg nicht stimuliert, nicht gebraucht oder herausgefordert wird, wird weniger. 

Im Klartext bedeutet das für uns Menschen: Wenn wir beginnen, es uns in unserer kleinen Realitätsblase gemütlich zu machen, verengt sie sich jeden Tag ein wenig. Wenn wir uns nicht freiwillig und regelmäßig bis an die Grenzen unseres Könnens und darüber hinaus dehnen, schrumpft unsere Komfortzone (das, was wir „unser Leben“ nennen). Unsere geistige Flexibilität lässt nach. Unsere Gefühlsbandbreite wird schmaler. Unser Blick trübt sich, und unsere Handlungsoptionen reduzieren sich auf ein Minimum. 

Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass eine der besten Strategien, Alzheimer und Demenz vorzubeugen, darin besteht, dem Geist jeden Tag eine Aufgabe vorzusetzen, für die er noch keine Lösung hat. 

Manche Menschen machen deshalb schwierige Kreuzworträtsel und knacken mathematische Knobelaufgaben. Doch es gibt eine wesentlich intelligentere Möglichkeit, den GEIST des Lebens in dir zu stimulieren: 

Verwandle deinen Alltag in ein prickelndes Sudoku. 

Wie du dies tust? Sei einfach nur wahrhaftig. Um den Rest kümmert sich das Leben. Du brauchst dir keine künstlichen Mutproben und Kicks einfallen lassen. Manche Menschen suchen ihren Thrill in Form von Bungeejumping, Saufen, Streiten oder was auch immer, und verlassen dabei in Wahrheit doch nie ihre Komfortzone. Geistiges und seelisches Neuland erschließen wir nicht dadurch, dass wir unserem Ego erlauben, sich in jede Richtung unreif auszuleben. 

Ein wach und achtsam erfahrener Alltag ist das ultimative Abenteuer. Eine intelligente Aneinanderreihung natürlicher und spannender Reifungstests. Immer wieder schiebt dich das Universum an den Rand deines bekannten Tellers und fordert dich heraus, darüber hinaus zu schauen, zu fühlen und zu handeln. 

Manchmal steigen dabei Wünsche und Fragen in dir auf, die dich ängstigen. Stimmt’s? 

Der Preis, den wir im Abenteuer dieses Geburtsprozesses zahlen müssen, ist die regelmäßige Konfrontation mit unserer Angst. Viele Menschen gestatten sich leider nicht einmal, sich vorzustellen, wie sie neue Schritte gehen. Denn bereits die Idee, die gut eingesessene Mulde in ihrem Sofa zu verlassen, löst Furcht in ihnen aus. 

Doch was genau macht dir daran Angst? Sehr wahrscheinlich spürst du instinktiv, dass allein das darüber Nachdenken dich in unsichere Territorien führt. 

Wenn du nicht mehr versuchst, das Leben eines anderen zu leben, sondern in deinem eigenen wach ankommst, machst du schnell eine verblüffende Erfahrung: Die Herausforderung ist immer maßgeschneidert. Was für den einen von uns eine völlige Selbstverständlichkeit ist, kommt für den nächsten dem Erlegen eines Drachens gleich. 

Für einen Choleriker ist das Herausbrüllen seiner Wut keine Schwierigkeit. Darin fühlt er sich sicher und pudelwohl. Doch wenn der Tag kommt, an dem er bereit ist, seine Aggression nicht mehr herauszuschleudern, sondern den darunterliegenden Schmerz zu spüren, wird es sich für ihn wie Sterben anfühlen. Seine bis jetzt alles duldende Ehefrau hingegen lebt seit Jahren in der Komfortzone des Schmerzes und der Trauer. Ihr Schritt ins Freie besteht vielleicht darin, endlich mit Wut und Entschlossenheit in der Stimme ihre Grenze zu artikulieren. 

Also, vergiss die anderen und hör auf, dich zu vergleichen. Die einzige Frage, die für dich zählt, ist: 

Welchen Schritt müsstest du als Nächstes tun, um in deine wahre Größe hineinzuwachsen? 

Eine Frage, die mir meine Klienten an diesem Punkt häufig stellen, lautet: „Natürlich bin ich an Wachstum und Abenteuer interessiert. Doch hast du für mich ein Rezept gegen die Angst?“ Dann antworte ich: „Ja, sogar zwei: Psychopharmaka und Selbstmord.“ 

Bitte, bekämpfe deine Angst nicht! 

Angst ist natürlich. Angst ist Teil des Spieles. Angst ist ein Aspekt deiner Lebendigkeit. Der Begriff Angst hat indogermanische Wurzeln (anghu) und bedeutet dort so viel wie „beengend“. Das passt. Denn jedes Mal, wenn du kurz davor bist, deine Komfortzone zu verlassen, fühlst du die Enge der alten Welt und das potentielle Risiko der neuen. 

Es ist nicht sinnvoll, diese Warnsignale wegzudrücken. Deine Angst signalisiert dir: „Achtung, Achtung! Du bist kurz davor, die bekannte Welt zu verlassen. Wir können nicht dafür garantieren, dass der nächste Schritt noch sicher ist.“ 

Deine Angst hat Recht! Wenn du Neuland betrittst, weißt du nicht, was dich erwartet. Du kannst ausgelacht, verletzt, verraten, verkauft, manipuliert, in die Irre geleitet, verlassen werden … 

Genau davor möchte deine Angst dich beschützen. Unterdrücke sie nicht. Achte sie. Begegne ihr intelligent. 

Angst ist vor allem eine körperlich-emotionale Erfahrung von Enge, die durch bestimmte Befürchtungen ausgelöst wird. Die körperlichen Symptome sind zum Beispiel eine erhöhte Muskelanspannung, eine erhöhte Herzfrequenz, eine flachere und schnellere Atmung, Schwitzen, Zittern und Schwindelgefühl. Die Veränderungen in deinem Körper wollen dich auf eine Kampf- oder Flucht-Situation (fight or flight) vorbereiten. Wenn du sie nüchtern spürst (Mit „nüchtern“ meine ich das achtsame Spüren der Symptome auf der körperlichen Ebene, ohne dich durch weitere sorgenvolle Gedanken weiter aufzuputschen) und nicht verkrampfst, sondern sanft weiteratmest, löst sich die Enge wieder auf. 

Unser eigentliches Problem ist nicht die Erfahrung der Angst in unserem Körper. Die mag unangenehm sein, doch sie kommt und geht auch wieder. Wenn wir aber unserem Verstand erlauben, in Fantasien darüber abzugleiten, was alles passieren könnte, wird die Angst wieder und wieder stimuliert. Dadurch verwandelt sich ein natürliches, gesundes Signal in einen chronischen Zustand von Ängstlichkeit und Besorgnis. Dann starren wir hypnotisiert auf den in unserer Phantasie gedrehten Horrorfilm und bleiben wie gelähmt auf unserem Hintern sitzen – bis wir das Leben irgendwann und irgendwie, halbwegs sicher, auf der Zuschauertribüne festgeschnallt, überstanden haben. 

Überspiele deine Angst nicht, aber lass dich auch nicht von ihr lähmen! 

Wandle sie in freudige Erregung um. 

Ich weiß, dies ist einer jener Ratschläge, die viel zu einfach klingen, als dass sie funktionieren könnten. Darum glaube mir nicht einfach, sondern probiere es selbst aus. 

Wenn du das nächste Mal mit zitternden Knien und flatterndem Herzen kurz vor einem gewagten, neuen Schritt stehst, versuche Folgendes:

  1. Unterdrücke die Angst nicht. Fühle sie im ganzen Körper.
  2. Dann denke: „Oh Gott, was hier gleich alles passieren kann. Ich habe solch eine Angst!“ Spüre die Phänomene, die dieser Gedanke in deinem Körper auslöst.
  3. Nun sage zu dir (wenn es passt sogar laut): „Wow, ich spüre schon wieder diese gewisse, freudige Erregung in mir. Meine Beine zittern, mein Herz flattert. Das heißt, ich stehe kurz vor einem weiteren Abenteuer meines Lebens. Ich setze den nächsten Schritt mit wachem Respekt vor dem Unbekannten.“

Dies ist kein billiger Trick. Es ist eine schlaue Form, mit dir selbst zu kommunizieren. So erlaubst du deinem Verstand, die vorhandenen energetischen Phänomene konstruktiv zu interpretieren. 

Das kannst du trainieren. Je häufiger du die Schwelle zum Unbekannten freudig erregt übertrittst, desto leichter wird es dir fallen. Du wirst merken, dass du die neuen Herausforderungen tatsächlich immer mehr genießt, anstatt dir jedes Mal in die Hose zu machen. (Obwohl auch das eine sehr heilsame, befreiende Erfahrung sein kann …) 

Übrigens, wenn du glaubst, es wäre sicherer, dich in deiner pupswarmen Komfortzone zu verstecken, irrst du dich. Leben ist und bleibt gefährlich. Irgendwann bricht das Unbekannte so oder so in dein kleines Nest ein. Dein Partner betrügt dich. Du wirst gefeuert. Herzinfarkt, Tsunami, Autounfall, Finanzkrise, Flüchtlingswelle – das Leben hat so seine Tricks, um auch dem Resistentesten den nächsten Wachstumsschub zu verpassen. Freiwillig aber lernt es sich freudvoller. Außerdem musst du dich in der nächsten Krise nicht frustriert fragen, warum du auf all die möglichen Abenteuer verzichtet hast, wenn am Ende doch eh nichts sicher ist. Ha! 

Das nächste Mal, wenn du Angst hast, atme tief weiter und mach einen Witz über deine Angst. Schau, was passiert. 

Hast du dich schon einmal gefragt, was eine große, kräftige Kuh davon abhält, den dünnen Zaun um ihre Weide zu durchbrechen und zu fliehen? 

Sie hat gelernt, dass es weh tut, wenn sie die Grenze ihres Terrains berührt. Daher bleibt sie auf der sicheren Weide stehen bis der Schlächter kommt. Dumm gelaufen oder besser gesagt, dumm gezögert. 

Deine Angst ist im Grunde genommen nichts anderes als der kleine Stromschlag an der unsichtbaren Grenze deiner bekannten Weide. Wenn du ein großartiges Leben führen möchtest, musst du aus deiner Komfortzone heraus – und zwar immer wieder und sehr bewusst. 

Der Preis ist die Meisterung deiner Angst. 

Durchschaue das Spiel. Dein Leben war nie sicher. 

Wir alle werden sterben. 

Die Frage ist nur, ob du bis dahin gelangweilt Gras wiederkäust, gebannt auf deinen Weidezaun schaust und darüber nachdenkst, wie die Welt da draußen wohl aussieht, oder ob du die Grenze wieder und wieder lustvoll überschreitest. 

Hinter dem Zaun wartet das Abenteuer und eine Antwort auf die Frage: Wer bin ich wirklich? 

Wenn du mehr aus dem eBook von Veit Lindau lesen möchtest, dann findest du das unter dem folgenden Link: 

Ebook – Veit Lindau

Homepage – Veit Lindau 

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