Mit Freude die Komfortzone verlassen

Ohne Krise gibt es keine Energie für nötige Veränderungen und ohne Energie kann ich keine Krise meistern! – so Christine Greiff oder wie Max Frisch es ausdrückt:

Eine Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.

In jeder Supervision, die ich leite kommt schnell die Erkenntnis, dass wir eine Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen, mehr Zufriedenheit in der Arbeit oder die Erfüllung von Lebensvorstellungen nur dann erreichen, wenn wir selbst etwas ändern und unsere Komfortzone verlassen. So beängstigend der erste Schritt auch wirken mag, so ungewiss die Zukunft dadurch erscheint, so vielversprechend sind auch die Handlungsspielräume, die daraus entstehen. Eine Routine zu verlassen kann Angst machen, doch erst wenn wir selbst handeln, geben wir uns die Chance, Veränderungen herbeizuführen.

Ich hatte einen Traum: Ärztin werden! Um die Wartezeit vor Studienbeginn zu überbrücken machte ich eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Dann bekam ich die Chance und erhielt einen Studienplatz. Doch inzwischen stand ich an einem anderen Punkt im Leben und entschied mich wegen meiner Familienplanung gegen das Studium. Auf die Heirat und zwei Kinder folgte die Scheidung und ein neuer Lebensentwurf, der dem ursprünglichen nicht im Entferntesten ähnelte. Doch Selbstaufgabe zum Preis der finanziellen Absicherung war für mich keine Option. Nun musste ich also allein für meine kleine Familie da sein. Hilfreich war, dass ich wusste was ich langfristig beruflich will: entweder Leitung einer Therapie Abteilung oder Selbständigkeit. In der für mich neuen Situation erschien mir ein gesichertes Einkommen in einer Klinik als die bessere Lösung. Innerhalb kurzer Zeit wurde ich dort zur Leitung, und das obwohl ich als Alleinerziehende nur Teilzeit arbeitete. Doch nach einiger Zeit meldetet sich wieder eine innere Unzufriedenheit: dass konnte noch nicht alles gewesen sein. Im Krankenhaus konnte ich meine Ziele nicht umsetzten, die Strukturen waren zu eng. Qualität wurde immer kleiner geschrieben und Sparen immer wichtiger. Also verließ ich meine Komfortzone und entschloss ich mich, zu studieren. Die Kinder werden irgendwann erwachsen und ich wollte nicht in der beruflichen Sackgasse stecken bleiben.

Nach dem berufsbegleitenden Studium bildete ich mich zur Supervisorin weiter und machte mich selbstständig. So habe ich sogar beide mir gesteckten Ziele erreicht: erst die Leitungsstelle im Krankenhaus und jetzt die Selbständigkeit.

Ich habe für mich entschieden was ich mache und was ich lasse. Und ich gebe durch meinen Beruf anderen die Möglichkeit für sich selbst auch eine Wahl zu treffen, denn wir alle haben eine Wahl. Immer!

Im Krankenhaus lernte ich, wie Supervision dabei hilft Klarheit und Distanz zu schaffen, wie sie arbeitsfähig macht, Potentiale zutage fördert und Energie gibt. Ich konnte sehen was passiert, wenn Menschen, die tagaus tagein ihren Job machen, keine Entlastung durch Reflektion erhalten. Sehr zum Nachteil für sich selbst sind sie bald abgestumpft, unzufrieden mit sich, der Arbeit im Kontakt mit Kollegen aber auch mit Kunden, Klienten und Patienten und geraten in die innere Emigration. Zum Nachteil für die Arbeit gebenden leidet schließlich auch die Leistung, Motivation und Kreativität darunter. Diese Erkenntnis konnte ich in meiner Laufbahn als Supervisorin in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern im sozialen Bereich, der Wirtschaft oder Verwaltung leider noch vertiefen.

Der Unterschied ob frühzeitig Angebote zur Entwicklung, Selbstreflexion und Teamarbeit bereitstehen und wahrgenommen werden, oder ob ich als Supervisorin erst in letzter Not einen Brandherd löschen muss, ist enorm. Bei frühzeitigem Eingreifen ist der Leidensdruck geringer und es ist leicht einen Lust Sog zu entwickeln. Meine Klientinnen und Klienten gestalten selbst und können so kontinuierlich an den Prozessen beteiligt werden.

Im anderen Fall ist der Leidensdruck hoch, die Menschen sind innerlich häufig schon weit weg von ihrer Arbeit. Wenn ich zu letzteren Fällen hinzugezogen werde, ist häufig nur noch Schadensbegrenzung möglich. Gründe dafür, dass häufig erst (zu) spät interveniert wird sind die Annahmen „das ist zu teuer“, oder „das bringt ja doch nichts“, oder „die Leute wollen das doch gar nicht“.

Nachgewiesenermaßen sind Erkrankungen, das Ausscheiden gut eingearbeiteter Mitarbeitenden und nachlassende Qualität durch Überlastung jedoch weitaus teurer. Im Gegenzug wirkt es nachhaltig, wenn ernst gemeinte Angebote angenommen werden und die Mitarbeitenden erkennen, dass sie Möglichkeiten haben, selbst zu gestalten.

Die Scham zu überwinden, die oft hinter der Behauptung „die Leute wollen das doch gar nicht“ steht, weil es ein Tabubruch ist, sich einzugestehen, dass ein Problem besteht, das man nicht alleine bewältigen kann, ist die größte Chance, um wieder auf die Beine zu kommen. Dieses Tabu zu brechen, ist nicht nur befreiend, sondern setzt auch Möglichkeiten für Wachstum frei. Mitarbeitende und Arbeit gebende erkennen, dass es sinnvoll ist, mit professioneller Hilfe an den eigenen Themen zu arbeiten bevor sie zum belastenden Problem werden. Das Arbeitsklima verbessert sich, die Menschen können sich wieder auf ihre Aufgaben konzentrieren, sie tun diese gerne, sind motiviert und mit Freude dabei, die Performance ist gut. Es entsteht eine WIN-WIN Situation.

Es liegt an und in mir, ob ich im Job gesund und zufrieden bin, ob ich meine Potentiale erkenne und nutze. Wenn die Rahmenbedingungen dies nicht hergeben, muss ich selbst handeln. Dieser Schritt mag beschwerlich sein, doch das Wissen sich auf die eigenen Fähigkeiten und Kraft verlassen zu können gibt Freiheit, Energie und Sicherheit, dies auch in anderen Situationen wieder zu schaffen.
Wenn wir einmal unsere Komfortzone verlassen haben entdecken wir, dass der neue Weg Spaß macht und unglaubliche Energie gibt. Wenn wir aktiv gestalten und die Dinge in die Hand nehmen, entsteht ein Lust – Sog, der die Kreativität in Gang setzt und die nötige Energie für die Veränderung bereitstellt. Dann macht es Freude die Dinge, die nicht mehr passen neu zu gestalten.
Supervision hilft dabei, eine Wahl zu treffen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Ideen meiner Klientinnen und Klienten auf den Weg zu bringen und sie dabei zu begleiten und zu bestärken, wenn sie aus dem Hamsterrad aussteigen und den Zweifel über die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns ablegen. Es erfüllt mich mit tiefer Freude zu sehen, wie aus Hilf- oder Ratlosigkeit eine Idee entsteht, wie es weiter geht. Wenn meine Klientinnen und Klienten ihre Selbstwirksamkeit und Gestaltungsmöglichkeiten wieder spüren, zu eigener Kraft kommen und ihre Ziele verfolgen habe ich meine Aufgabe erfüllt.

Christine Greiff, Supervisorin / Coach DGSv, Co-Mediatorin und Mediationssupervisorin DACH und Beraterin für Organisations- und Unternehmensentwicklung (Prozesssteuerung) nach Trigon und SySt

www.supervision.christinegreiff.de

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