Innovation Engineering – Mit System zu innovativen Produkten

Wenn man an Innovation denkt, so Alois Reitbauer, dann stellt man sich meist einen cleveren Kopf vor, der jahrelang in einem chaotischen Labor arbeitet bis er eine geniale Idee hat, oder jemanden, der unter der Dusche einen Geistesblitz hat. Einige Innovationen mögen ja tatsächlich so entstanden sein. Leider ist dieses Modell aber für die Praxis wenig anwendbar und führt auch nicht zu kalkulierbaren Resultaten.

Nun gibt es eigene Experten, die Methodiken zu Innovation studiert haben und diese auch entwickeln. Mein Ansatz hier ist ein weniger akademischer. In diesem Beitrag schildere ich wie ich in meiner Rolle als Leiter des Innovation Labs eines internationalen Konzerns Innovationen “am Fließband” entwickle und diese auch erfolgreich als Produkte auf dem Markt eingeführt habe.

Um Innovationen erfolgreich entwickeln zu können, muss man einige Schritte meistern. Leider ist der Prozess oft härter und länger als man glaubt. Die Ausdauer wird allerdings belohnt. Folgt man einem ingenieursmäßigen Ansatz – deshalb Innovation Engineering – wird man am Ende bessere Produkte entwickeln; auch wenn die eigentliche Innovation es nicht zum Produkt schafft.

Welche Innovation soll ich denn entwickeln?

Ohne eine Idee ist es eigentlich unmöglich Innovation zu entwickeln. Die Frage, was man denn eigentlich machen soll, scheint oft die größte Hürde darzustellen. Viele beginnen dann damit, sich nach neuen Technologien am Markt umzusehen und sich dann zu überlegen, wie sie diese verwenden können, um ihre aktuellen Produkte zu verbessern.

Genau hier aber liegt der Fehler. Technologie und deren Verwendung hilft uns eine Lösung zu finden, aber nicht das Problem zu definieren. Ich beginne an dieser Stelle immer mit einer zentralen Frage:

Wenn ich ein Produkt bauen müsste, das meine aktuellen vom Markt verdrängen kann und ich nichts dagegen machen kann. Wie würde dieses Produkt aussehen?

Damit sind wir auch schon bei einer der wichtigsten Fähigkeiten eines guten Innovation Engineers: massives Konkurrenzverständnis und -denken. Eine der Kernaufgaben ist es, sich selbst immer wieder herauszufordern und zu fragen, wie man selbst sein größter Konkurrent zu sein.

Selbst diese Frage zu beantworten ist oft nicht sehr einfach. Man kann hier aber sehr gut methodisch vorgehen. Doch viele Leute stellen leider oft die grundsätzlich falsche Frage, wie sie ihre aktuellen Produkte verbessern und besser verwendbar machen können. Dies führt aber eben nicht zu Innovation sondern nur zu gradueller Verbesserung. Ich zitiere hier gerne Henry Ford:

Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt ein schnelleres Pferd.

Finden Sie die Nicht-Features

Die viel wichtigere Frage ist allerdings: „Was muss ich machen, damit Kunden weniger Zeit mit meinem Produkt verbringen.” Das mag zuerst einmal widersprüchlich klingen. Warum soll ein Produkt besser werden, wenn wir es weniger oft verwenden? Wenn ein Produkt in der Ecke herumliegt oder wie im meinem Bereich – der Softwareentwicklung – so genannte Shelfware ist, hat man sein Ziel doch nicht erreicht.

Darum geht es aber auch nicht. Vielmehr geht es darum, wie man den Mehrwert des Produktes bekommt ohne es aber aktiv verwenden zu müssen.  Es geht also um Convenience. Ein innovatives Produkt definiert sich oft darüber, was man nicht mehr tun muss, als über das, was man zusätzlich machen kann. Hier ein paar Beispiele:

  • Das Erfolgsgerät Thermomix ermöglicht es einem, sich nicht mehr Rezepte suchen und Einkaufslisten erstellen zu müssen.
  • Ein selbstfahrendes Auto ermöglicht es einem, nicht mehr selber Auto fahren zu müssen.
  • Alexa ermöglicht es mir, Produkte zu bestellen, ohne selbst den Browser zu öffnen und etwas passendes zu suchen.
  • Amazon Go – der vollautomatisierte Supermarkt – ermöglicht es mir, nicht mehr zur Kasse gehen zu müssen um zu bezahlen.

Es gäbe hier noch sehr viele weitere Beispiele. Eines sollte aber klar geworden sein: Das wichtigste ist, zu definieren, was die neue Produktgeneration Ihnen ermöglicht, nicht mehr zu machen.

Wie definiert man, was das neue Produkt nicht mehr tun soll?

Nun sind wir zwar schon einen Schritt weiter, aber wie findet man nun strukturiert und methodisch heraus, was ein neues Produkt nicht mehr tun soll. Die erfreuliche Antwort ist, dass dies viel einfacher ist, als man denkt, weil diese Information schon direkt vor einem liegt. Hier ein paar Beispiele:

  • Beobachten Sie einen Verwender Ihres Produktes an einem normalen Tag. Wie schaffen Sie es, dass er 90 Prozent dieser Tätigkeiten nicht mehr durchführen muss?
  • Sehen Sie sich die Anfragen an Ihren Kundensupport an. In welchen Bereichen haben Benutzer die größten Probleme in der Usability? Was muss passieren, damit diese Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden müssen?
  • Setzen Sie sich einmal selbst in eine Kundenschulung. Erleben Sie selbst, was Sie am Produkt verändern müssen, dass dieses selbsterklärend in 3 Minuten funktioniert.
  • Wann „zwingt” Ihr Produkt den Benutzer dazu, selbst etwas zu tun? Was müssen, Sie machen, damit er dies nicht mehr tun muss?

Was jetzt – Remove the bubbles!

Ihre “Nicht”-Liste ist Ihr Anforderungskatalog, um Ihr neues innovatives Produkt zu entwickeln. Ihnen ist jetzt wahrscheinlich noch nicht ganz klar, wie das funktionieren soll. Jetzt an diesem Punkt beginnt die Produktentwicklung und jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt, nach passenden Ideen zu suchen, die es Ihnen erlauben, dieses Ziel zu erreichen.

Dazu kommt mir eine Anekdote von Steve Jobs in den Sinn. Als man ihm den Prototypen des iPhones zeigte, ließ er diesen in ein Wasserglas fallen. Als dann Luftblasen aufstiegen, sagte er:

There is still empty space. Make it smaller. Remove the bubbles.

Jetzt liegt es an Ihnen, so viele „Bubbles” wie möglich zu entfernen. Wichtig ist auch hier, dass (noch) nicht die Technologie im Vordergrund steht. Definieren Sie die neuen Abläufe für Ihre Kunden. Ziel ist es vielmehr, Storyboards zu definieren, wie Ihr neues innovatives Produkt verwendet, oder besser NICHT verwendet wird.

Was Sie nächsten Freitag machen sollen

Das letzte Slide meiner Vorträge ist meistens eine Aufstellung mit „What you should do tomorrow”. Ich möchte auch Ihnen gerne eine Aufgabe stellen. Nehmen sie sich einen Tag Zeit und eine kleine, aber feine Gruppe Ihrer Mitarbeiter und gehen Sie genau den oben beschriebenen Prozess durch.

Ich bin gespannt, auf welches Innovationspotenzial Sie stoßen. Lassen Sie es mich gerne wissen, ich freue mich über Ihr Feedback.

Alois Reitbauer, Global Head Innovation Lab, Dynatrace

https://www.atomic-leap.io/

Jetzt Teilen: