Hast Du Lust, erzogen zu werden?

Warum immer mehr Eltern Angst vor ihren Kindern haben – von Anna Gelbert


Zum Geburtstag meiner Tochter kamen zwei Kinder nicht. Ihr wollt wissen, warum nicht? Waren sie krank? Nein. Hatten sie einen unaufschiebbaren Kieferorthopädentermin? Nö. Hatten sie es vergessen? Nope.


Ihre Eltern hatten sie gefragt, ob sie LUST hätten. Völlig überfordert mit dieser Entscheidung stammelten sie mal dies, einen Tag später jenes. In den Augen der ebenso überforderten Eltern verband sich das zu einem organischen Gesamtbild: Ist vielleicht gerade nicht das Richtige für den oder die Kleine, so eine Party stresst ja auch (vor allem uns), wir lassen das mal. Völlig ungeniert sagten sie mir ab – mit ebendieser Begründung. Kleiner Tipp an dieser Stelle für die unerfahreneren unter uns: Wer zumindest nach außen hin nicht als Sklave seines Kindes dastehen will, schiebt jetzt einen hochinfektiösen Vorwand vor: Streptokokken sind immer eine prima Ausrede, Magen-Darm auch. Das Risiko, nachher bis zu den Knien in Kotze zu stehen und selbst kranke Kinder zu haben, geht kein Gastgeber ein.


Allerdings: Diesen Irrsinn erlebe ich leider immer öfter. Erwachsene Menschen fragen sehr kleine Menschen auf Autorücksitzen, ob sie vielleicht Lust auf ein Eis mit diesen oder jenen Freunden hätten oder, ob es ihnen passt, dass man jetzt noch auf eine Pizza mit Familie XY gehe.


Es ist völlig in Ordnung, sich nicht immer über die Wünsche der Kinder hinwegzusetzen. Und ja, auch ich habe ätzend langweilige Nachmittage aus meiner Kindheit abgespeichert, an denen ich unbedingt mit zum Einkaufen oder zu Tante Dagmar musste. Mitbestimmungsrecht und Respektiertwerden sind für Heranwachsene wichtig – heute mehr denn je. Das ist gut so. Aber in Maßen: Was bei uns passiert, ist absurd. Die Kinder bekommen die Entscheidungshohheit über den Alltag ganzer Familien, ihren Freundeskreis, ja sogar die Urlaubspläne.


Und Erwachsene ducken sich unter den Allüren Dreijähriger und rennen dann zum Psychologen, wenn die Kleinen durchdrehen. Leute, die tagsüber eine ganze Abteilung befehligen, knicken am Nachmittag unter den sich minütlich ändernden Befehlen ihrer Kinder ein.


Wenn ich als Unter-der-Woche-Alleinerziehende so agieren würde, stünde hier bald das Jugendamt. Wenn jede Familienaktion erst eine demokratische Volksbefragung erfordert, sorgt das bald für – das Thema ist nicht neu – verwöhnte, verunsicherte, unausstehliche Kinder und für ein Ducken vor Kids, die alles dürfen – außer Zucker essen. Wenn`s um Gummibärchen und Eis geht, sind dann genau diese Eltern plötzlich irre konsequent.


Auf Augenhöhe erziehen – finde ich gut. Auf Augenhöhe entscheiden – eher nicht. Wir tun alle sehr viel, damit es unseren Kindern gutgeht. Gleichberechtigte Sparringspartner sollten sie jedoch nicht sein.


Ich habe weiß Gott schon Millionen Erziehungsfehler gemacht. Diesen mache ich nicht mehr: Ihr seid die Chefs, Ihr habt den Hut auf, Ihr führt das Leben, Eure Kleinen ziehen mit. Basta.




Mehr über Anna Gelbert, die Lifestyle-Kolumnen zum Lachen, Staunen und Nachdenken schreibt:

https://www.annagelbert.com/



Foto: Stefanie Schumacher/Schoko-Auge

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