John Strelecky im Interview mit dem Transformation Network
Hallo John, als erstes einmal herzlichen Dank dafür, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Es ist uns eine Ehre und ein Vergnügen, heute mit dir zu sprechen. Mein Name ist Holger Fuchs und das ist meine Geschäftspartnerin Christine Körting. Sie ist diejenige, die den ersten Kontakt mit deinem Büro hergestellt und das Interview ermöglich hat.
Transformation Network:
Welche Werte sind dir persönlich so wichtig, dass du sie immer vertrittst?
John Strelecky:
Es ist mir wichtig, dass alles, was ich tue, auf einer Linie mit dem ist, was am wichtigsten für mich ist. Integrität ist einer meiner größten Werte. Das heißt, Dinge so zu tun, wie es sich für mich richtig anfühlt, sie auf eine Weise zu erledigen, die mich als Menschen und meine Entscheidungen repräsentieren und so den Dingen zuträglich sind, die mir am wichtigsten sind.
Die Terminologie, die ich in meinen Büchern dafür verwende, ist „the big five for life“. Zu meiner Integrität gehört sicher zu gehen, dass ich das, was ich in den Büchern schreibe und in Vorträgen erzähle auch lebe und nicht nur sage, oh, ein schönes Konzept, es aber nicht anwende.
Wenn das der Fall wäre, wie gut ist die Idee denn dann?
Beispiele dafür sind, bewusst Zeit mit meiner Familie zu verbringen und Dinge zu tun, die ich liebe. Kajak fahren macht mir großen Spaß, also fahre ich meinen Computer runter, verlasse meinen Schreibtisch und gehe raus zum Kajak fahren, wenn ich das Verlangen danach verspüre – solche Sachen.
Transformation Network:
Was bedeutet Transformation für dich?
John Strelecky:
Jeder von uns entwickelt sich kontinuierlich weiter. Die Möglichkeit, unser Leben von einem Level auf den nächsten zu heben, bietet also ständig eine große Chance zur Transformation. Manchmal fühlt sich das in dem Moment der Veränderung nicht besonders gut an. Es ging mir schon öfter so, dass ich erwartet habe, mein Leben in genau diese Richtung zu lenken, dann folgte aber eine Reihe von Ereignissen, die eben nicht in diese Richtung gingen. Damals dachte ich dann, das ist nicht fair, da will ich doch gar nicht hin. Zum Akzeptieren von Transformation gehört meiner Meinung nach, die Frage anders zu stellen. Als ich jünger war und die Dinge sich nicht so entwickelt haben, wie ich das gern gehabt hätte, fragte ich z.B., warum passiert mir DAS? Ich befand mich in der Opferrolle. Als ich älter und hoffentlich auch klüger wurde, wurde mir klar, dass ich der Sache auch mit Neugier begegnen konnte und fragte mich, WARUM passiert mir das? Ich fragte also aus einer weiter gefassten Perspektive heraus und war nun in der Lage zu sehen, aus welchem Grund die Transformation stattfindet oder womit es in meiner persönlichen Entwicklung zusammenhängt.
Wenn wir an einer Erfahrung wachsen können, verändern wir uns positiv. Wenn wir es nicht schaffen, an einem Ereignis zu wachsen, wird es sich meiner Erfahrung nach wiederholen, wenn auch in einem anderen Gewand. Die Lektion bleibt aber die gleiche bis wir sie lernen. Dabei kann es sich um das Eingehen von Beziehungen handeln, egal ob geschäftlicher Natur oder mit jemandem, mit dem man ausgehen oder den man heiraten möchte, und es stellt sich heraus, dass du z.B. deinem Geschäftspartner nicht trauen kannst. Entweder lernst du aus dem ersten Fehler, oder du machst in noch zehn Mal. Wenn Du dich weiterentwickeln und wachsen willst, musst du aus dem Fehler gleich beim ersten Mal lernen.
Daher finde ich diese Frage sehr kraftvoll, wenn man sie mit Neugier stellt: Warum geschieht das jetzt, was soll ich in diesem Moment lernen.
Versteh mich nicht falsch, ich frage mich schon auch manchmal, „man, was soll das denn jetzt“, aber wenn ich mich der Angelegenheit mit Neugier nähern kann, lerne ich recht viel aus solchen Begebenheiten. Außerdem reduziert es die Zeitspanne, die ich in der Opferrolle verbringe.
Transformation Network:
Welcher Prozess Deiner Entwicklung hat dich am stärksten beeinflusst?
John Strelecky:
Da fallen mir sofort zwei Dinge ein. Das erste ist die Idee, den Zeitrahmen zu verringern, wie wir oben gerade gesagt haben, also schneller in die Perspektive der Neugier zu wechseln, um eine Erfahrung einzuordnen und sie dann hinter uns zu lassen, statt zu lange frustriert oder deprimiert in der Opferrolle zu verharren. Sonst spielen wir diese Situationen immer wieder durch. Morgens beim Aufstehen fühlst du dich darin gefangen, abends, wenn du ins Bett gehst, fühlst du dich darin gefangen. Mir ist noch niemand begegnet, dem es nicht irgendwann in seinem Leben einmal mies ging. Wenn wir aber die Zeit verkürzen, die wir in so einem Tief sitzen, werden wir uns sehr zum Guten verändern, zumindest nach meiner Erfahrung.
Was ermöglicht es uns nun, aus so einem Loch herauszukommen? Ich habe dabei zwei Dinge gelernt: eines ermöglicht mir, in einen Zustand der Dankbarkeit zu gelangen. Wenn ich einen fürchterlichen Tag habe, an dem alles schief geht, frage ich mich was wäre, wenn heute der erste Tag meines Lebens wäre. Was, wenn ich also plötzlich in diesem Moment auftauchte? Ok, wer bin ich? Oh, ich lebe in einem Haus. Ich habe ein Haus? Wie wunderbar. Hm, was ist das für ein Foto? Oh wow, das ist meine Tochter. Ich habe eine Tochter? Da ist ja auch meine Frau! Wir waren schon in Alaska. Und in Afrika! Verstehst du, was ich meine? Betrachte dein Leben, als wäre es der allererste Tag. Vielleicht geht es einfach nur darum, sich bewusst zu machen, dass man zwei funktionierende Hände und zwei Beine hat und, oh mein Gott, ich bin gesund.
Wie übel der Tag auch immer sein mag, wenn du es schaffst, einen Schritt zurück zu treten und wertzuschätzen, was gut läuft, ist das wunderbar. Es hat mir sehr geholfen, schnell aus dem Sumpf des Selbstmitleids heraus zu kommen.
Als zweite Sache möchte ich Mantras nennen, die mir in den letzten zwei Jahren sehr viel gebracht haben. Das ist mir eingefallen, als ich im Auto oft über etwas nachgedacht habe, das schon zwanzig Jahre zurück lag, z.B. eine Unterhaltung, die nicht so gut lief oder eine negative Erfahrung. Ich bin diese Konversation dann immer und immer wieder durchgegangen um sie zu verbessern – als würde ich diese Unterhaltung jemals wieder führen, was natürlich nicht der Fall ist, es sei denn, ich hätte eine Zeitmaschine, um genau in diesen Moment zurückkehren zu können. Wenn ich aber eine Zeitmaschine erfände, würde ich sie ganz bestimmt nicht dafür benutzen! (Lachen) Ich würde mir lieber Dinosaurier oder etwas anderes wirklich cooles anschauen!
Ich habe also festgestellt, dass mein Gehirn diese Ruhephasen nicht optimal nutzte. Daher habe ich mir ein Mantra ausgedacht. Es besteht aus fünf Dingen, die ich gern in meinem Leben hätte. Wenn ich also im Auto an einer Ampel stehe oder ähnliches, konzentriere ich mich seit dem auf mein Mantra und wiederhole es immer wieder in Gedanken, statt auf mein Handy zu schauen oder die Gedanken zu Vorfällen abschweifen zu lassen, die nicht optimal liefen. Ich habe das als unglaublich kraftvolle Technik für persönliche Entwicklung erlebt.
Das waren die zwei wirkungsvollsten Techniken, die ich in den letzten zwei Jahren in mein eigenes Leben übernommen habe.
Transformation Network:
Das sind sehr hilfreiche Hinweise für unsere Leser. Was sind denn deine persönlichen Ziele für 2019?
John Strelecky:
2019 ist schon jetzt ein bemerkenswertes Jahr. Ende Januar kam gerade ein neues Buch von mir heraus und ich habe ein weiteres Buch, das ich offiziell während der Frankfurter Buchmesse vorstellen werde. Ich habe einen kleinen Teaser für euch. Die Fans der „Café“-Buchserie werden sich freuen, weil sie das Café wieder besuchen können. Es ist das dritte Buch dieser Reihe und ich freue mich sehr darüber.
Die andere große, spannende Sache ist, dass ich aktiv an einem Film arbeite, der auf dem ersten Café-Buch basiert – Das Café am Rande des Universums oder, auf Englisch, The Cafe on the Edge of the World.
Transformation Network:
Wir haben von dem Film gehört. Kannst du uns schon verraten, wann er in die Kinos kommt?
John Strelecky:
Gerade spreche ich mit zahlreichen potentiellen Partnern über den Film. Es ist mir sehr wichtig, den Fans mit dem Film gerecht zu werden. Meine Tochter liebt es, zu lesen und dann die adaptierten Filme anzuschauen. Sie sagt dann oft, Dad, sie haben es total versaut. Ich erkenne das Buch in dem Film gar nicht wieder. Es kommt so oft vor, dass wir als Leser das Buch toll finden und mit dem Film nichts anfangen können. Ich möchte also den richtigen Partner dafür finden, der versteht, dass es all die großartigen Fans da draußen gibt, die das Café auf der großen Leinwand erleben wollen. Mir ist klar, dass ein gewisser Grad an Adaption stattfinden muss, der Film darf sich aber nicht komplett vom Buch unterscheiden. Was soll das sonst? In den Verhandlungen, die ich führe, stelle ich also sicher, dass die potentiellen Partner die Vision verstehen und einen Bezug zu der Geschichte haben.
Transformation Network:
Da wünschen wir dir viel Erfolg. Die Kinos werden sicher voll werden.
John Strelecky:
Darauf freue ich mich. Ich möchte, dass es ein großartiger Film wird, denn dass das Buch das Leben so vieler Menschen berührt hat, lässt mich demütig werden. Ich bekomme wunderbare Emails und Nachrichten. Menschen erzählen mir, wo sie gerade in ihrem Leben stehen und wie das Buch ihnen geholfen hat. Der Film soll genau das gleiche, wenn nicht sogar mehr bewirken.
Transformation Network:
Du hast uns vom Buch erzählt. Wo findest du deine Inspiration für die Bücher? Sind es persönliche Erfahrungen oder Geschichten, die dir erzählt werden?
John Strelecky:
Die Bücher basieren immer auf meinen eigenen Erlebnissen. Das dritte Buch, das ich vorhin erwähnt habe, hat sehr viel mit dem zu tun, was ich in meinem Leben durch mache und was ich alles erlebe. In „Die Rückkehr zum Why Café“ erzählt Michael eine Geschichte von ihm und seiner Tochter und die beruht zu hundert Prozent auf einem Erlebnis, das ich mit meiner eigenen Tochter hatte. Etwas, was ich mit der Zeit gelernt habe ist, wenn etwas einen Effekt auf mich hat und ich es auf geschickte Weise mit einem Publikum teile, hat es auch einen Effekt auf die Leute. Sie machen ähnliche Dinge durch, wie ich. Sie haben ähnliche Gedanken, sie stellen sich ähnliche Fragen. Es gibt mir wirklich sehr viel. Ich bekomme Nachrichten, in denen mir mitgeteilt wird, dass sich die Leser die gleichen Fragen bzgl. des Elternseins stellen, die ich in „Die Rückkehr zum Why Café“ behandle.
Transformation Network:
Nun haben wir eine etwas knifflige Frage an dich. Wie sollte die Welt in 10 Jahren aussehen? Was ist aus deiner Sicht nötig, um diese Vision zu erreichen?
John Strelecky:
Ich bin wahnsinnig gerne in der Natur unterwegs. Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein. Wenn ich mich für ein Thema entscheiden müsste… Nun, es ist schwierig, mich auf eine Sache zu beschränken, aber wenn ich müsste, ginge es wahrscheinlich um eine Verbesserung darin, wie wir mit unserem Planeten umgingen. Weniger Umweltverschmutzung, ein wachsendes Bewusstsein dafür, wie alle Lebewesen miteinander verbunden sind und die Menschen dazu inspirieren, mehr Zeit in der Natur zu verbringen.
Ich habe oft Kontakt zu Menschen, die durch ihre Jobs ausgebrannt und vom Leben frustriert sind, wenn sie das Café entdecken, das gibt ihnen Hoffnung. Als nächstes müsste man diese Hoffnung ausbauen. Du hast das Surfen erwähnt. Ich bin auch Surfer – es ist wirklich schwierig, am Meer einen miesen Tag zu haben. (Lachen). Ich bin der Meinung, dass unser gesellschaftliches Voranschreiten großartig sein kann. Es kann sich aber auch als Fluch erweisen. Je weiter wir uns von der Natur entfernen, desto mehr Leute werden denken, dass es ok ist, sie zu vernachlässigen. Das finde ich gefährlich. Wir sind auf wunderbare Weise mit der ganzen Sache verbunden, und wenn wir es uns erlauben, Zeit in der Natur zu verbringen, werden tolle Dinge passieren. Ich habe jedenfalls einige meiner kreativsten Einfälle, wenn ich den Strand entlang laufe und mir Gezeitenbecken ansehe. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich Stunden damit verbracht, mir die Fische und Seesterne anzuschauen. Dieser kleine Junge ist immer noch ein Teil von mir, es ist einfach herrlich. Ich könnte immer noch Stunden damit verbringen, diese Gezeitenbecken zu betrachten, weißt du? Es gibt nichts traurigeres, als an einem mit Plastikflaschen und Bonbonpapieren zugemüllten Gezeitenbecken vorbei zu laufen. Ich glaube, Zeit in der Natur zu verbringen hat etwas sehr kraftvolles, und je öfter wir das tun, desto besser wird es der Menschheit ergehen.
Transformation Network:
Außerdem können wir Erinnerungen bewahren.
John Strelecky:
Ja. Es gibt vieles, das mir wichtig ist. Es liegt mir unheimlich viel daran, im Leben von Kindern etwas zu bewirken. Als Vater ist mir bewusst, was für ein Geschenk Kinder sind. Es macht mich so traurig, wenn ich von Kindern höre, die in kaputten Familienverhältnissen aufwachsen, in denen sie keine Unterstützung erhalten oder in denen man ihnen sogar feindselig gegenüber tritt. Kinder werden auch ohne jegliches Selbstverschulden krank. Vielleicht gehen diese zwei Dinge ja Hand in Hand. Wenn wir den Planeten sauber halten, haben diese Kinder mehr Möglichkeiten, an unverschmutzen Orten zu spielen und Krankheiten können nicht so leicht um sich greifen.
Transformation Network:
Wir haben gelesen, dass du Pilot werden wolltest. Wie bist du mit der Diagnose umgegangen, die diesen Traum zerstört hat? Wie bist du aus diesem Loch wieder heraus gekommen?
John Strelecky:
Das war definitiv einer der Tiefpunkte in meinem Leben. Ich habe schon mit zwölf Jahren angefangen, zu arbeiten. Ich habe körperliche Arbeit verrichtet, um Geld zu sparen, und habe dann jeden Cent, den ich je verdient habe dafür ausgegeben, auf die Universität zu gehen. Ich habe während der kompletten Zeit, die ich an der Schule verbracht habe, gearbeitet. Ich habe 21 anrechenbare Kurse belegt. Um das in Perspektive zu setzen, zwölf Kurse entsprachen Vollzeit – Unterricht. Ich hatte wiederkehrende Alpträume, in denen ich während der Prüfungszeit über den Tests saß und absolut nichts wusste. Das alles habe ich aber getan, weil in meiner Universität der Unterricht kostenlos war, wenn man mehr als fünf Kurse belegte. Das war die einzige Möglichkeit, die ich hatte, um mir den Unterricht leisten zu können. Mein Traum war, Pilot bei einer Fluggesellschaft zu werden. Während dieses Sommers arbeitete ich umsonst bei einer der großen Fluggesellschaften und fand dann heraus, dass ich diese Herzkrankheit hatte, die bis dahin nicht festgestellt worden war. Sie steht einem nur im Weg, wenn man Pilot oder Astronaut werden will, nur in diesen beiden Berufen ist das wichtig. Ich dachte nur „Ist das euer Ernst? Das ist so unfair! Ich habe für diesen Traum so hart gearbeitet und so viel aufgegeben und jetzt?“ Es ist eine Sache, wenn man es verbockt, wenn man etwas tut, was man nicht sollte, und es versaut. Aber in diesem Fall war es nicht meine Schuld, ich war damit geboren worden. Ich fand es einfach total unfair. Es fühlte sich an, als hätte mir die Welt den Boden unter den Füßen weg gezogen, ich war stinkwütend. Dann verfiel ich in Depressionen. Es hat ungefähr ein Jahr gedauert, aber man kann nicht in diesem Zustand verweilen und gleichzeitig voran kommen. Ich meine, ja, es war unfair, aber was soll’s? Das Leben ist manchmal nicht fair. Wenn ich zurück blicke, war das wohl einer dieser bezeichnenden Momente. Wäre ich Pilot geworden, hätte ich nie ein Buch geschrieben. Ich finde mein Leben nun soviel besser, als wenn ich Pilot geworden wäre. Um auf den ersten Teil unseres Interviews zurückzukommen, ich war damals wohl noch nicht umsichtig genug um aus einer kreativeren Perspektive zu fragen „warum passiert mir ausgerechnet das hier“. Mittlerweile weiß ich, warum es passiert ist, denn ich sollte etwas völlig anderes mit meinem Leben anfangen. Ich sollte ein Schriftsteller werden, der Menschen inspiriert, und nicht nur einen oder zwei, sondern viele. Wäre ich als Pilot geendet, hätte ich das nie getan und das wäre wirklich schade, denn ich bin in dem, was ich jetzt tue, wesentlich besser als ich es im Fliegen war.
Transformation Network:
Welchen Rat würdest du unseren Lesern geben, um mit Tiefschlägen umzugehen?
John Strelecky:
Ich bleibe bei der Botschaft – finde den Sinn in dem, was passiert. Sei neugierig anstatt dich als Opfer zu fühlen. Das heißt nicht, dass man in Jubelgeschrei ausbrechen soll, wenn etwas passiert, aber versuche, dich zu fragen, „was sagt mir das? In welche Richtung führt es mich?“ Sei offen. Wenn man gute Freunde und Menschen um sich hat, denen man vertraut, kann man solche Gespräche führen, man kann ehrlich und verletzlich sein. Wenn ich dich zu der Zeit gekannt hätte, hätte ich sagen können „Holger, meine Welt bricht gerade zusammen. Alles, wofür ich gearbeitet habe, ist weg. All das Geld, das ich für mein Studium verdient habe, ist zum Fenster raus geschmissen.“ Und du als Freund hättest sagen können „Ich weiß, dass es sich jetzt gerade so anfühlt, John. Lass uns doch mal überlegen, was dahinter stecken könnte. Was bedeutet es, welche Möglichkeiten könnten sich auftun?“ Man muss sowas nicht alleine bewältigen, wenn man Menschen um sich hat, von denen man unterstützt wird. Dagegen sollte man diese Art Gespräche nicht mit Menschen führen, die einem eher noch mehr aufladen wollen.
Transformation Network:
Ich denke, es ist auch eine Frage von Lebenserfahrung.
John Strelecky:
Da hast Du recht. Als ich da durch musste, war ich 20 oder 21. Hätte ich mit jemandem gesprochen, der damals vielleicht 45 oder 50 war und ähnliches durchlebt hatte, hätte die Person mit ganz anderen Augen darauf blicken können.
Transformation Network:
Ich bin sicher, unsere Leser werden sich das zu Herzen nehmen.
Was ist deiner Meinung nach der Sinn des Lebens? Hat sich das für dich mit der Zeit geändert?
John Strelecky:
Es gibt nur wenige Dinge im Leben, auf die es eine allgemein gültige Antwort gibt, die also auf jeden Menschen zutrifft. Diese Frage nach dem Sinn des Lebens wird wohl jeder anders beantworten. In „das Café am Rande der Welt“ spreche ich von PFE, deinem Purpose for Existing, also dem Grund deiner Existenz. Ich glaube fest daran, dass dies die wichtigste Frage ist, die wir uns selbst stellen können. Was ist der Sinn MEINES Lebens, und im Zusammenhang damit, was sind meine Big Five for Life? Wenn also dein Existenzgrund ist, im Leben anderer etwas zu bewirken, welche fünf Dinge willst du tun, sehen oder erleben die dieses Vorhaben unterstützen? Das sind deine Big Five for Life. Was mich betrifft, ja, ich habe viel darüber nachgedacht, warum ich hier bin. Ich bin davon überzeugt, dass ich Museumstage für mich und andere schaffen soll. Ursprünglich, und das ist der Teil, der sich geändert hat, dachte ich, es ginge darum, Spaß zu haben, diese Erfahrung zu genießen. Ich habe es etwas abgewandelt, weil ich festgestellt habe, dass es in einigen meiner einprägsamsten Momente nicht um Spaß geht. Manchmal geht es darum, dass sich jemand an meiner Schulter ausweinen kann. Das ist kein spaßiger Moment, aber einer, der eines Museumstags wert ist, weil ich jemandem dabei helfen konnte, mit etwas nicht so Schönem fertig zu werden. Museumstage für mich und andere zu schaffen, verleiht den Momenten Bedeutung. Manchmal muss man Spaß haben, manchmal rumalbern wie ein Kind. Manchmal sitze ich in meinem Kayak, das ist dann eher tiefgründig, aber macht auch Spaß. Manchmal geht’s aber eben auch um Dinge, die nicht lustig, sondern wichtig sind.
Transformation Network:
Wie würde heute ein Museumstag aussehen?
John Strelecky:
Wenn ich nur einen Tag hätte und ich ihn ins Museum stellen würde, würde ich ihn zweifellos mit Menschen verbringen, die mir wichtig sind. Seit meine Tochter zwei Jahre alt war, sind wir auf Abenteuertage gegangen. Bevor sie in die Schule kam, waren es zwei Tage die Woche. Da sie erst zwei war, hieß es „nimm die Windeltasche, die Snack-Tüte und den Kinderwagen mit“ – erinnerst du dich an diese Zeit? (Gelächter) Ich habe sie also immer eingepackt, in ihren Kindersitz gesetzt und dann sind wir los gefahren, entweder in den Zoo, in den Park oder an’s Meer um am Strand entlang zu spazieren – einfach irgendwas Abenteuerliches. Wir machen das auch heute noch. Diese Tage bedeuten mir so viel. Meinen Museumstag würde ich also abenteuerlich gestalten. Ich würde auch Zeit mit meiner Frau verbringen und ganz bestimmt auch alleine sein, in meinem Kayak.
Transformation Network:
Wir haben noch eine letzte Frage. Du wirst dieses Jahr 50. Ist das für dich ein Grund, Dinge zu überdenken oder etwas anderes zu tun?
John Strelecky:
Ich möchte wirklich nicht zu viel darüber verraten, was die Leute im Oktober erwartet, wenn sie das Café ein drittes Mal betreten, aber sie werden einiges darüber erfahren, was ich, nun da ich 50 werde, durchmache. Es ist eine sehr tiefgreifende Erfahrung für mich. Man ist dem Ende näher als dem Anfang. Man hat den Zenit überschritten, die Physis ändert sich. Meine Augen verändern sich, ich muss das Handy von mir weg halten, um es lesen zu können. Das sind alles Anzeichen, das Leben teilt dir mit – nicht, dass du heute sterben wirst, aber dass es immer mehr Aufwand erfordern wird, die Gesundheit zu erhalten. Als 18-Jähriger konnte ich zwölf Stunden Volleyball spielen und am nächsten Morgen aufwachen, nur um das gleiche nochmal zu tun, das war gar kein Problem. Als 50-Jähriger mache ich das nicht mehr. Ich spiele immer noch, aber nicht in dem Ausmaß.
Es erfordert also mehr Zeit, gesund zu bleiben. Doch trotz all des Aufwands altert der Körper und alles wird etwas langsamer. Wenn man das in einem größeren Zusammenhang betrachtet, geschieht mit deinem Leben das gleiche.
Zeit fühlt sich nun anders an, Tage vergehen schneller, jeder Tag wird wertvoller. Also ja, ich denke definitiv auf andere Weise über mein Leben nach und mache auch manches anders.
Am Jahresanfang saß ich mit meiner Familie zusammen und wir haben überlegt, was 2019 zum besten Jahr aller Zeiten machen würde. Wir haben einiges gesammelt, darunter war eine Reise nach Alaska. Wir waren schon einmal dort und fanden es einfach großartig. Alaska steht an gleicher Stelle mit Afrika, wenn es um die Schönheit der Natur geht. Also sagte ich, ich wolle wieder nach Alaska. Wir freuen uns alle darauf. Also habe ich die letzten zwei Wochen Pläne für diese Reise geschmiedet. Da bin ich wie ein kleines Kind. (Gelächter) Erst letzte Nacht habe ich eine Tour gebucht, bei der man ein Raft bekommt und den Kenai entlang fährt. Man wird im See abgesetzt und für die nächsten zehn Stunden gibt es nur deine Gruppe und das Raft. Für diese zehn Stunden bin ich der Raft-Führer. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich darauf freue. Vielleicht muss man, wenn man 50 wird, dieses Dinge finden, sie auf den Lebenskalender setzen und dann jeden Moment der Vorfreude genießen. Ich weiß, dass ich auf jeden Fall jede Minute auf diesem Fluss genießen werde.
Dieses Konzept, sich auf etwas zu freuen, ist eine Weisheit, die wir wieder in unser Leben integrieren sollten. Als Kind freuen wir uns auf den Geburtstag, Weihnachten oder den letzten Schultag. Wir freuen uns auf all diese Dinge in unserem Lebenskalender. Als Erwachsene vergessen wir das manchmal. Wenn man sich nur vier Dinge pro Jahr aussucht und über zwölf Monate verteilt auf den Kalender setzt, hätte man alle drei Monate etwas, auf das man sich richtig freut. Das ist ein großartiges Mittel, die Tage zu überstehen, die nicht so toll sind. Man feiert das Leben statt sich zu denken, „oh, toll, noch so ein Tag“.
Transformation Network:
Vielen Dank, dass du deine Einsichten mit uns geteilt hast.
John Strelecky:
Es war mir ein Vergnügen. Danke für all das, was ihr tut, um die Menschen zu inspirieren.
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Bücher von John Strelecky:
Übersetzung des Interviews ins Deutsche:
Michaela Radtke
Fotocredit ©
Paul Landerl