MIT VIAGRA DEN LAUF DER WELT VERSTEHEN!

Manchmal findet man Lösungen für  Probleme, nach denen man nicht gesucht hat. So auch bei Sildenafil, besser bekannt unter seinem Markennamen Viagra.

Dieses Medikament wurde ursprünglich entwickelt, um Herzkranzgefäße zu erweitern. Das tut es auch, aber eben nicht nur das.

Lange waren die Nebenwirkungen unbekannt. Als jemand begann, sich zu wundern, dass sich Patienten regelmäßig zusätzliche Tabletten klauten, kam man einer Nebenwirkung auf die Schliche: Nicht nur im Herzen erweitert das Medikament!


DIE ERSTE LEKTION  – OFFENHEIT FÜR NEUE ENTDECKUNGEN

Offenheit spielt eine ganz erhebliche Rolle für das Verständnis der Welt. Das bedeutet, zu akzeptieren, dass die Ziele, auf die wir hinarbeiten, nicht zwingend jene sind, die wir erreichen werden. Was bedeutet das für die Welt der Entdeckungen und Innovationen?

Auftragsforschung, wie sie heute vielfach betrieben wird, arbeitet auf ein bestimmtes Ziel hin. Man will ein vordefiniertes Ergebnis erreichen, eine Lösung finden – zum Beispiel die Erweiterung von Herzkranzgefäßen. Durch die Konzentration auf ein einziges Ziel, werden möglicherweise andere Erfolge im Vorfeld ausklammert. Eine solche Forschung bleibt geschlossen. – Sie ist nicht offen für Entdeckungen!

In der Kriminologie spricht man von der „Dunkelziffer“, wenn Straftaten gar nicht bekannt wurden. Ich glaube, dass es diese Dunkelziffer auch in der Forschung gibt – eine „Lösungs-Dunkelziffer“ sozusagen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir bereits vielmehr Lösungen für Probleme gefunden haben, als uns bekannt sind. Sie liegen vermutlich irgendwo und unbeachtet in einer Labor-Schublade als „Nebenwirkung“.

Im kreativen Prozess ist Unkenntnis ein Segen, vor allem in den Frühphasen. Menschen, die nicht wissen wie die Dinge sein sollen, werden nicht von bestehenden Überzeugungen verblendet.  (Professor Robert Sutton)

Ist eine Innovation erst in der Welt, verfügt sie über eine eigene Dynamik und schlägt lange Wellen! Heute ist Viagra das erfolgreichste Lifestyle-Medikament – doch wer hätte je gedacht, dass ganze Staaten aufgrund seiner Nebenwirkung Probleme bekommen können?


DIE ZWEITE LEKTION – ERST IN DER WELT, ENTZIEHEN SICH ENTDECKUNGEN DER MOTIVATION IHRES ENTDECKERS. SIE GEHEN EIGENE WEGE!

Seit es Viagra gibt, haben ältere Männer begonnen, sich mit jüngeren Frauen zu vereinen – offensichtlich besonders in Brasilien. Dies hat in der Zwischenzeit die brasilianische Rentenkasse in Schwierigkeiten gebracht.

Paulo Tafner, Autor einer Studie der Nationalen Versicherungsanstalt spricht mittlerweile von einer„schweren Herausforderung“ für die Zukunft seines Landes, weil ältere Männer – dank der Wirkung von Viagra –  in ihrer zweiten Ehe eine deutlich jüngere Frau heiraten. Rund 70 Prozent von ihnen heiraten sogar eine 30-Jährige oder noch jüngere Partnerin.

Trotz aller neu gewonnener Lebensfreude und Manneskraft hat sich allerdings die Lebenserwartung der älteren Herren analog dazu nicht wesentlich erhöht – sie versterben in mehr oder weniger erwartetem Alter. Zurück bleiben die sogenannten „grünen Witwen“ mit einem ordnungsgemäßen Rentenanspruch auf Witwenrente.

Man muss kein Mathe-Genie sein, um sich aufzurechnen, dass das rechnerisch nicht aufgehen kann. Statt der für das brasilianische Rentensystems kalkulierten durchschnitten 15 Jahre monatlichen Rentenzahlungen, erwarten junge Witwen etwa 35 Jahre die Leistungen der monatlichen Witwenrente.

Innovationen gehen eigene Wege – wie hier, wo die Nebenwirkung eines Medikamentes für Herzkranzgefäße ein ganzes staatliches Versorgungssystem ins Wanken bringen konnte.

Wir lernen also: Offenheit bringt neue Lösungen und Lösungen wieder neue Fragen. Ein ewiger Kreislauf – möglicherweise wie die Welt selbst.





Gründerin & Herausgeberin des Zukunfts- und Wissenschaftsblogs „Utopiensammlerin

Futuristin, Utopistin, Erfinderin und Sozialwissenschaftlerin. Sucht Utopien und sammelt Geschichten. Versteht Digitalisierung als Aufbruch in eine neue Welt – und träumt von einer besseren.


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